REWI: Mit der Vorlesung „… unter anderem Arbeitsrecht“ verabschiedeten Sie sich im Oktober nach 43 Jahren von der Uni. Sie haben viele Veränderungen miterlebt, u.a. den Einzug der neuen Medien in die Hörsäle. Wie ging es Ihnen damit?
Günther Löschnigg: Für alle Universitätslehrer_innen ist das Arbeiten mit Präsentationsprogrammen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit und die entsprechenden Mediengeräte sind aus den Hörsälen nicht mehr wegzudenken. An der Universität haben wir Ende der 1970er-Jahre aber auch klein angefangen. So gab es damals meinem Wissen nach nur ein einziges, für den EDV-Pionier Herbert Kraus installiertes Projektionsgerät im alten Hörsaal 17 im Uni-Hauptgebäude. Wohl als Erster an der REWI-Fakultät nutzte ich diese Möglichkeit mit dem privat finanzierten und für einen jungen Assistenten nicht billigen Programm „Story Board“. Die Übungseinheit Urlaubsrecht, die letzte im Semester, ließ ich z.B. mit einem auf der Leinwand schwankenden Segelboot ausklingen.
REWI: Der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis war Ihnen stets besonders wichtig.
Günther Löschnigg: Die immer wiederkehrende Formulierung, das Arbeitsrecht besitzt eine große praktische Bedeutung, ist insbesondere deshalb verständlich, weil der Großteil der Bevölkerung mit unselbständiger Arbeit in Berührung kommt. Wissen um das Arbeitsrecht führt aber auch zu Frustration und Resignation in Hinblick auf mangelnde Umsetzung in der Praxis sowie zu gelebter Vorsicht in Hinblick auf den Durchsetzungswillen eines Michael Kohlhaas. Wie auch immer, das Arbeitsrecht ist für Studierende faszinierend und erlebbar …. für die Studierenden etwa in der Welt der Fahrradboten und Regalbetreuer_innen und selbst für einen Universitätsprofessor im Ruhestand im Rahmen einer befristeten geringfügigen Beschäftigung zur Universität.
REWI: Die Praxis der Arbeitswelt erlebten Studierende mit Ihnen auch auf der Straße, etwa bei Streiks in Graz, Bordeaux oder gar Istanbul. Das Thema Streik beschäftigte Sie sehr…
Günther Löschnigg: Der Streik ist tatsächlich ein Lieblingsthema – rechtsdogmatisch interessant, interessanter aber noch ist das historische, gesellschaftspolitische und auch künstlerische Umfeld. Das beginnt etwa mit streikenden Arbeitern beim ägyptischen Pyramidenbau und reicht über die Situation der Bergarbeiter in Zolas „Germinal“ und über die filmische Dramatik eines Sergei Eisenstein bis zur Streikkultur an den Universitäten, die jeder Studierende und jede Studierende miterleben kann, aber auch mitverantworten muss.
REWI: An welches Erlebnis an der Uni denken Sie gerne zurück?
Günther Löschnigg: Die Fama berichtet, dass mit meinem Eintreffen bei Besprechungen, Sitzungen etc. eher zwei Minuten zu spät als fünf Minuten zu früh zu rechnen wäre. Als daher mein ältester Sohn an unserer Fakultät zum Magister iuris graduiert wurde und der neben meiner Frau reservierte Sitzplatz in der Aula am Beginn des Festaktes leer blieb, war der Ärger groß: typisch, wieder zu spät! Die emotionale Stimmung änderte sich allerdings schlagartig, als der Promotor Löschnigg in die Aula einzog und dem Sohn ex cathedra die Rolle überreichte. Ein unvergesslicher Augenblick: ein Händedruck zwischen Vater und Sohn, zwischen Promotor und Spondierendem, zwischen Amt und Familie.
REWI: Beschäftigen Sie auch im Ruhestand Projekte zum Thema Arbeitsrecht?
Günther Löschnigg: Ja, ich arbeite gerade an einem System des Universitätspersonalrechts. Die Mappen für die Loseblattsammlung sind bereits produziert, der Inhalt fehlt allerdings (teilweise) noch – ein Phänomen, das ohnedies (fast) jeder an der Universität kennt…